Mein Alltag in peruanischer Quarantäne
Wie überall auf der Welt betreffen die Konsequenzen der Corona-Pandemie auch Peru und das Alltagsleben hier. Vor nun genau 7 Tagen hat der peruanische Präsident Martín Vizcarra das Land unter Quarantäne gestellt, und vor drei Tagen folgte dann eine Ausgangssperre bei Nacht.
Das bedeutet, dass das Haus nur zum Arbeiten, Einkaufen oder zum Erhalt medizinischer Versorgung verlassen werden darf. Außerdem klingt seit drei Tagen nun auch jeden Abend um 19.30 Uhr ein Alarm, der daran erinnert, dass von 20 Uhr bis 5 Uhr am folgenden Tag komplette Ausgangssperre herrscht. Verstößt man gegen diese Regelungen, wird man von einem der zahlreichen Soldaten auf der Straße nach Hause geschickt, und wenn man sich wehrt, sogar auf die nächste Wache gebracht, wo man 24 Stunden bleiben muss. Beim zweiten Verstoß kann es sogar bis zu drei Monate Gefängnisstrafe geben.
Die Straßen sind folglich viel leerer als sonst, nur wenige Autos sind noch unterwegs, denn nur noch die staatlichen Busse und Taxen haben Fahrerlaubnis. Jeder, der noch arbeitet – und das sind nur wenige – braucht eine Bescheinigung vom Arbeitgeber, die stets zusammen mit Ausweispapieren bereit gehalten werden muss. Denn überall stehen die Soldaten, die versuchen, den Überblick in dem ganzen Chaos zu halten und so Passanten und Autofahrer fragen, wo sie hinwollen, wo sie herkommen – und im Zweifel nach Hause schicken.
Viele Peruaner sind existentiell gefährdet, denn fast alles ist geschlossen. Sie werden vielleicht noch ein, zwei Wochen auskommen können, doch die Ärmsten des Landes – und davon gibt es leider viele – werden bald keine Lebensmittel mehr kaufen, keine Miete mehr zahlen können. Da sind die Menschen, die in der Gastronomie arbeiten oder im Tourismus, die Verkäuferinnen mit ihren Popcorn- oder Churro-Ständen, die nun kein Einkommen mehr haben und in absehbarer Zeit vor großen existentiellen Problemen stehen werden.
Doch Vizcarra handelt schnell und sinnvoll. Damit das Virus sich nicht so schnell ausbreitet wie in Asien und Europa, ist es gut, dass sozialer Kontakt so weit wie möglich eingegrenzt wird. Bisher sind in Peru 390 Infizierte und fünf Tote bekannt, man geht aber von einer hohen Dunkelziffer aus. Aber der Anstieg der Zahl der Betroffenen ist nicht exponentiell und kann durch Vizcarras Maßnahmen hoffentlich bald eingegrenzt werden.
Die meisten Infizierten befinden sich in Lima, hier in Arequipa weiß man von bisher sieben Fällen.
Inzwischen sind auch die Grenzen vollständig geschlossen, das heißt, dass vorerst niemand das Land betreten oder verlassen darf. Die Bundesregierung arbeitet daran, die etwa 4.000 Deutschen – ja, es sind wirklich 4.000 – aus Peru zu holen, aber das ist deutlich komplizierter als erhofft. Da die Flughäfen geschlossen sind, muss eine alternative Lösung für die An- und Abreise der deutschen Flugzeuge gefunden werden. Es gibt mehrere Listen, auf die sich deutsche Urlauber, Freiwillige und Co eintragen können, damit die Bundesregierung weiß, wo und wie viele Deutsche hier gerade feststecken.
Auch ich warte auf eine Rückmeldung des Auswärtigen Amts. Denn ich befürchte, dass dieses ganzes Chaos noch länger anhalten wird. Theoretisch soll die Quarantäne nur noch eine Woche, also bis zum 30. März anhalten, doch das glaubt hier keiner. Das bedeutet, dass ich hier im Haus festsitze, denn die Schule beginnt dann ja auch nicht. So schwer mir der Gedanke fällt, Arequipa zu verlassen, ist es momentan wichtiger für mich, bei meiner Familie in Deutschland zu sein mit dem Wissen um ein gutes Gesundheitssystem, auch wenn ich nicht zu einer der Risikogruppen gehöre. In so einer Situation ist man doch am liebsten zu Hause. Also im deutschen Zuhause. Allerdings kann das alles noch ein bisschen dauern, denn, wie gesagt, die Situation ist ziemlich kompliziert und die Lage ändert sich von Tag zu Tag.
Doch die Quarantäne bringt auch Gutes mit sich. Plötzlich hat man Zeit für die Dinge, die man lange vor sich hergeschoben hat (wie zum Beispiel Texte für seinen Blog schreiben). Man liest mehr, telefoniert, ist mit der Familie zusammen. Hier in der Gastfamilie essen wir nun jeden Tag zusammen, kochen oder backen und unterhalten uns viel. Dabei ist das Gesprächsthema Nummer 1 natürlich das Virus, aber dadurch rückt man auch näher zusammen. Die Oma kümmert sich liebevoll um uns alle, es gibt einen besonderen Trunk, den sie jeden Tag kocht: Eine Art Tee – der hier in Peru Mate genannt wird – aus Zwiebeln, Knoblauch, Aloe Vera, Limette und Honig. Schmeckt, wie es klingt – ziemlich fies. Aber angeblich hat das schon immer bei Erkältungen ihrer sechs Kinder geholfen und deshalb müssen wir das Gebräu auch jeden Tag trinken. Hier ist zwar niemand erkältet, aber man muss ja auch vorbeugend denken.
Es ist sehr schade, dass mein Auslandsjahr diese Wendung genommen hat, doch wir müssen jetzt alle versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Ich werde die Zeit mit der Gastfamilie genießen, versuchen, produktiv zu sein und nicht die Geduld zu verlieren. Die Anzahl der Infizierten hier in Peru ist deutlich geringer als in Deutschland, dementsprechend bin ich hier nicht gefährdet.
Ich hoffe, euch und euren Familien geht es gut, und dass dieses ganze Chaos bald besser wird. Bis dahin heißt es: Abwarten und Mate trinken.