Bald leben Elias, Florian und ich schon seit zwei Monaten in Arequipa, Peru. In dieser Zeit haben wir sowohl viele positive, als auch einzelne negative Erfahrungen sammeln dürfen.
Der zweite Monat war davon geprägt, sich vollständig einzuleben und einen geregelten Alltag zu finden. Von Tag zu Tag wurden die uns zunächst fremden Sitten hier immer vertrauter. Mittlerweile schaffen wir es tatsächlich, vom Stadtzentrum aus mit dem Bus nach Hause zu fahren, anstatt in die entgegengesetzte Richtung. Wir haben uns daran gewöhnt, dass wir unser Wasser aufkochen müssen, bevor wir es trinken und das Toilettenpapier stecken wir mittlerweile auch immer in unsere Tasche, bevor wir das Haus verlassen (Tipp für zukünftige reisende: es gibt keins auf den öffentlichen Toiletten).
Woran wir uns bis heute nicht gewöhnen können, sind die Lebensumstände der Kinder in unserer Partnerschule. Durch ein ausführliches Gespräch mit unserer teilzeit-Gastmutter Lidia, sie ist die Hausmeisterin in der Schule, haben wir viele tiefere Eindrücke erhalten. Kinder, die vor der Schule arbeiten gehen müssen. Kinder, die Gewalt aneinander anwenden. Jugendliche, die sich prosituieren. Das ist nicht der Normalfall, aber eben auch keine Ausnahme. Nach dem Gespräch ist mir viel mehr in der Schule aufgefallen. Polizisten, die in der Schule Aufsicht halten. Kinder im Unterricht, die müde sind. Kinder, die sich die Schuluniform nicht leisten Können und seit drei Wochen mit demselben Pullover vor mir stehen. Trotzdem fühle ich mich in der Schule nie unwohl. Ganz im Gegenteil. Die Kinder begrüßen einen jeden Morgen mit einem lächeln im Gesicht und einer langen Umarmung, spätestens in der zweiten Pause bekomme ich jedes Mal ein selbstgemaltes Bild geschenkt und zum Schulschluss werde ich direkt gefragt, wann wir das nächste Mal gemeinsam Unterricht haben. Auch das Unterrichten fällt mit mittlerweile leichter und ich habe herausgefunden, wie ich die Kinder mit Hilfe von Liedern und spielen zum Lernen motivieren kann. Ich realisiere immer mehr, dass wir vor allem einen psychologischen Effekt auf die Kinder haben.
Wie sehr ein Kontrast in Arequipa zwischen arm und reich existiert, ist mir vor allem durch die zusätzliche Arbeit an der deutschen „Max-Uhle-Schule“ bewusst geworden. Dort helfen wir aktuell den Schüler/innen aus der vierten Klasse, sich auf ihre A1 Deutschprüfung vorzubereiten. Den Kindern fehlt es dort materiell an nichts. Die Schule ist ausgestatte, wie auch unsere Schulen in Deutschland es sind, wenn nicht sogar besser. Hier haben die Schüler/innen die Möglichkeit, ein internationales Abitur zu machen und kriegen somit gute Chancen, später ein Leben ohne Mängel zu führen. Die Schule ist jedoch Privat, teuer und somit nicht für viele Menschen hier eine Option. Unteranderem gibt es dort auch Schulpsychologen/innen. Ein Wunsch von mir ist es, eine/n Schulpsychologen/in für unsere Partnerschule zu organisieren. Leider ist er zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu erreichen. Dennoch machen wir in dieser Hinsicht erste Fortschritte. Der Schulleiter der Max-Uhle-Schule hat sich bereit erklärt, unsere Partnerschule besuchen zu kommen und zumindest ein Gespräch mit den Schulpsychologen/innen und uns zu führen.
Auch privat entsteht mehr und mehr ein Alltag. Florian und Elias spielen in der Basketballmannschaft der Max-Uhle-Schule und bei den Spielen von den beiden schaue ich immer gerne zu. Ich selbst habe hier eine Tanzschule für mich entdeckt. Der Tanzstil ist etwas anders als ich ihn kenne und auch die Musik ist ausschließlich Lateinamerikanisch. Das ist für mich zwar beides eine Herausforderung, aber eine, die mir wirklich sehr viel Spaß macht. Ansonsten erkundige ich gerne diverse Kaffees im Zentrum und lese dort ein Buch oder schreibe auf, was wir so erleben. Am Wochenende verbringen wir meistens viel Zeit mit anderen Deutschen Freiwilligen. Gemeinsam haben wir auch Peruanische Freunde gefunden, mit denen wir unteranderem Halloween gefeiert haben. Trotzdem sind die touristischen Aktivitäten in Arequipa für uns noch immer sehr verlockend. Wir haben im letzten Monat einen zweitätigen Trip in den Colca Canyon angetreten. Die Natur dort ist atemberaubend, aber die Höhe hat unserer Atmung teilweise etwas zu schaffen gemacht. Außerdem haben wir einen Schokoladenkurs gemacht, in dem wir sehr viel über die Geschichte von Kakao-Bohnen lernen durften.
Emotional gesehen ist das Leben hier eine Achterbahn. Durch den Kontrast zu unserem Alltag zu Hause, setze ich mich gezwungenermaßen sehr viel mit meinem eigenen Leben auseinander. Das fühlt sich nicht immer gut an, aber ist extrem wichtig.
Als nächstes steht unsere Reise nach Bolivien bevor. Dort werden wir für eine Woche, in Form von einem Praktikum, bei einer anderen Einsatzstelle von unser Organisation arbeiten. Auf der Rückreise besuchen wir noch den Titi-Caca-See und am Ende des Dezembers freuen wir uns auf die Weihnachtsfeier unser Partnerschule.
Hasta pronto,
Hannah